project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der dreizehnjährige Julien (Gilles Budin) verbringt den Sommer im englischen Badeort Herne Bay, wo der aufgeweckte französische Schüler bei einer Gastfamilie und in eigenen Kursen sein Englisch verbessern soll. Doch statt der Sprache und Gepflogenheiten des Gastlandes, haben er und seine Kameraden vorwiegend Unsinn im Kopf und neben der verpflichtenden Anwesenheit in der Schule wird die restliche Zeit hauptsächlich am Strand verbracht und das spärliche Taschengeld in örtlichen Spielclubs an Automaten verprasst. Dort versuchen die französischen Schüler auch eher schlecht als recht, jungen Engländerinnen näher zu kommen und während manche von Juliens Klassenkameraden sehr offen mit ihren Erlebnissen prahlen ist der Sohn eines Botschafters noch unerfahren.
Das änderst sich als Julien im Spielclub die junge Janet kennenlernt, die sich ebenfalls für den Jungen interessiert und sich die beiden Heranwachsenden in zahlreichen Gesprächen und nächtlichen Strandspaziergängen näherkommen. Für Julien beginnt eine aufregende Zeit und der schüchterne Junge genießt nicht nur die Zeit an der Seite des jungen Mädchens, sondern auch die anerkennende Bewunderung seiner Kameraden, die er für seine „Beziehung“ zu Janet erhält. Auf einmal ist Julien nicht mehr der schüchterne und introvertierte Junge, sondern jemand, der ein Mädchen hat, erste Erfahrungen sammelt und sich nicht mehr für Kinderkram interessiert.
Die Liebe währt jedoch nur kurz und schon wenig später ist das Mädchen spurlos für längere Zeit von der Bildfläche verschwunden und als sich die Beiden zufällig am Strand wiedersehen, ist Janet bereits mit dem etwas älteren und draufgängerischen Jean-Pierre (Michel Gibet) zusammen, der sich ebenfalls in Herne Bay auf Sprachurlaub befindet. Julien lässt sich jedoch nicht so einfach abschütteln und neben Janet erweckt auch Jean-Pierre das Interesse von dem jungen Schüler, der bereits wesentlich cooler und abgeklärter als seine Klassenkameraden ist. Wenig später ist Janet auch vergessen und Julien interessiert sich mehr für Jean-Pierre, was den sensiblen Jungen auch zum Ziel von gemeinen Späßen seiner Mitschüler machen, die Julien als Homo bezeichnen und die Freundschaft der Beiden ins Lächerliche ziehe.
Julien ist mit der Situation vollkommen überfordert und nur sein englischer Austauschlehrer scheint die Situation des Jungen zu verstehen, der sich fern der Heimat und seinem Elternhaus einfach nach einem guten Freund und Geborgenheit sehnt. Als ihm Jean-Pierre wegen der Hänseleien auch noch die Freundschaft kündigt und er das Ziel eines körperlichen Übergriffs wird, ist Julien am Boden zerstört und der unverstandene Schüler zieht sich noch weiter von seinen Kameraden zurück. Jean-Pierre reist nach Frankreich zurück, ohne dass es zu einer Aussprache kommt und als er von Janet dessen Adresse erhält, nimmt er allen Mut zusammen um seinen Freund einen Brief zu schreiben, der sein bewegten Gefühlsleben erklärt…
Die Pubertät ist bekanntlich keine sehr einfache Zeit und neben der körperlichen Veränderung sorgen auch noch oft ganz andere Umstände dazu, dass die Gefühllagen der Heranwachsenden stark wechselnden Schwankungen unterworfen sind. Von „himmelhoch jauchzend“ bis „zu Tode betrübt“ ist da alles möglich und in der empfehlenswerten „Coming-of-Age“-Reihe von „CMV-Laservision“ beleuchten seit einigen Jahren große und kleine Filme aus allen Ecken und Enden dieser Erde diese schwierige Zeit und präsentieren Kinder und Jugendlich an der Schwelle des Erwachsenwerdens, die mit den unterschiedlichste Problemen innerhalb und außerhalb des Elternhauses konfrontiert sind.
In dem 1977 entstandenen Drama „Blue Jeans“, das von dem französischen Regisseur mit dem etwas sperrigen Namen Hugues Burin des Rozies inszeniert wurde, geht es um den Schüler Julien, der fern der Heimat während eines Sprachstudiums in dem englischen Badeort Herne Bay seine ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht macht und sich in weiteren Folge zu einem anderen Jungen hingezogen fühlt und dieses nicht so richtig deuten kann. Dabei behandelt der eher ruhig erzählte Streifen Themen wie die der ersten Liebe, Freundschaft und Familien, wie auch ernstere Dinge wie Mobbing.
Herausgekommen ist dabei ein durchaus gelungenes Werk, dass nicht nur aufgrund der Laiendarsteller und dem Schauplatz an die kürzlich veröffentliche Kurzfilm-Sammlung von Roger Lambert erinnert. Auch in „Erste Versuchungen“ auf eher ruhige und sachliche Weise eine authentisch-wirkende Geschichte erzählt, die sich inhaltlich auch nicht so richtig festlegt und vielseitig interpretierbar ist. So ist es im Verlauf von „Blue Jeans“ – so der Originaltitel – entgegen der Inhaltsangabe auf dem Cover meines Erachtens auch nicht wirklich eindeutig, ob sich Julien tatsächlich in den etwas älteren Jean-Pierre verliebt, oder er in ihm den aufregenden und abenteuerlustigen Freund findet, der nicht seinem behüteten und vornehmen Elternhaus entspricht und ihm deswegen nacheifert und seine Nähe sucht.
Ob es sich bei der im Film präsentierten Dreiecksgeschichte also tatsächlich um eine erste Versuchung handelt und das Interesse an Jean-Pierre sexueller Natur ist, kommt ja nicht so klar zu Vorschein und es kann genauso gut sein, dass Julien seinem Freund aus anderem Grunde nacheifern und nahe sein möchte. Gerade in einem Alter, in dem man bestimmte Gefühle noch nicht so richtig deuten kann, sind die Grenzen zwischen Freundschaft und Liebe wohl auch verschwimmend. Klar ist es jedoch, dass es sich bei Jean-Pierre um einen Menschen handelt, der bei Julien nachhaltig Eindruck hinterlassen hat und dessen abruptes Verschwinden eine Lücke hinterlässt.
So oder so ist Hugues Burin des Rozies ein interessanter Streifen gelungen, der sich gerade durch seine eher unaufgeregte Erzählweise und den für den Zuschauer nicht ganz ausformulierten Empfindungen des jugendlichen Protagonisten interessant ist und so auch genügend Raum für Interpretationen lässt. Die Locations sind hübsch gewählt und auch die Laiendarsteller machen ihre Sache sehr gut, auch wenn man den unbedarften Umgang mit Zigaretten und Alkohol wohl heutzutage nicht mehr so bringen könnte. Leider hat der französische Regisseur keine weiteren Filme mehr gedreht und Informationen zu seiner Person oder Reaktionen auf seinen Film sind nur spärlich oder in französischer Sprache vorhanden.
Die OFDB listet auch nur eine Veröffentlichung und das ist die DVD aus dem Hause CMV-Laservision, die den französischen Streifen aus dem Jahr 1977 im Februar 2015 unter dem Titel „Erste Versuchungen“ und einem Cover veröffentlicht haben, das eher an Teenie-Sexkomödien erinnert. Die Bildqualität geht für diese Art von Film aus der „Special-Interest“-Ecke durchaus in Ordnung auch definitiv in Ordnung. Da der Streifen aber nicht in Deutschland gelaufen ist und sich eine Synchronisierung nicht rentieren würde, kommt „Blue Jeans“ im französisch/englischen Originalton und deutschen Untertitel und dem üblichen Bonusmaterial in Form einer Bildergalerie und weiteren Trailern aus dem Programm des Berliner Labels.
Unterm Strich bleibt ein ruhiger, aber dennoch interessanter Streifen mit etwas irreführender Covergestaltung aus den Siebzigern, der einen Heranwachsenden einen aufregenden Sommer lang begleitet, der auch gleich alle möglichen Höhen und Tiefen für den jungen Menschen bereithält. Da „Erste Versuchungen“ dabei eher mit nüchternen Bildern und leise erzählt wird, wirkt der Streifen trotz seinem angejahrten und nicht mehr ganz zeitgemäßen Szenario glaubwürdig und realistisch und verzichtet darauf, seine Themen in irgendeiner Form reißerisch zu präsentieren. Regisseur Hugues Burin des Rozies einmaliger Beitrag zur „Coming-of-Age“-Kiste ist ein unaufgeregter und dennoch schöner Streifen gelungen, der interessierte Zuschauer nachdenklich stimmt und auch nicht enttäuschen wird.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review und ein dickes Sorry - aber es ist nun endlich Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9914
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