project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Die sechzehnjährige Simone (Désirée Nosbusch) aus Ulm ist ein großer Fan des Musikers „R“ (Bodo Steiger) und während ihre gleichaltrigen Kollegen tagtäglich in der Schule sitzen, schwänzt die junge Schülerin den Unterricht um den Postboten abzufangen um zu sehen, ob der von der jungen Frau über alle Maßen idealisierte Sänger einen ihrer vielen und mit glühender Leidenschaft verfassten Fanbriefe beantwortet hat. Doch die erhofften Antwortschreiben bleiben natürlich aus und während sich Simone mit ihrem Walkman immer mehr von ihrer Umwelt abkapselt und in den Texten des Sängers als versteckte Botschaften an sie wahrnimmt, leiden auch die schulischen Erfolge stark unter der eigenbildeten und sehr einseitigen Liebesaffäre, die sich Simone von ganzen Herzen so sehnlichst wünscht.
Als es daraufhin mit ihren Eltern zum Streit kommt und diese zunehmend verständnislos auf die Schwärmereien ihrer Tochter regieren, reißt Simone von zuhause aus und versucht mittels Autostopp nach München zu kommen, wo „R“ im Rahmen der Popmusik-Sendung „Top Pop“ seine neue Single vorstellen soll. Tatsächlich schafft es die junge Schülerin trotz unfreiwilligem Zwischenstopp nach München, wo sie kurze Zeit darauf am Parkplatz vor dem Fernsehstudio neben weiteren Fans auch erstmalig auch auf „R“ trifft. Das Treffen bleibt auch nicht ohne Folgen für den aufgeregten Teenager und während Simone nach einem Lächeln von „R“ in Ohnmacht fällt, schafft sie es so auch, dass Interesse des Sängers zu erwecken, der die junge Frau daraufhin zu einer Probe des Fernsehsendung einlädt.
Als „R“ Simone nach einem fulminanten Auftritt in der Sendung und einem Streit mit seinem Management auch noch in die Wohnung eines für längere Zeit verreisten Freundes einlädt, scheint für Simone ihr lange gehegter Traum in Erfüllung zu gehen und sie verbringt mit „R“ ihr erstes Mal. Als dieser jedoch Simone danach lapidar mitteilt länger in Urlaub fahren zu wollen und keine Anstalten macht, Simone mitzunehmen oder das Treffen zu wiederholen merkt Simone, dass „R“ sie nur benutzt hat und seine schönen Worte nur dazu dienten, die junge Frau einmalig ins Bett zu bekommen. Doch der glühende Fan ist nicht bereit, sein Idol so einfach gehen zu lassen und Enttäuschung, Zorn und der unbändige Wille mit „R“ für immer eine Beziehung zu führen, lassen Simone schon bald unvorstellbar grausame Dinge tun…
„Ein Fan ist ein Mensch, der längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem für ihn externen, öffentlichen, entweder personalen, kollektiven, gegenständlichen, abstrakten oder sportlichen Fanobjekt hat und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Ressourcen wie Zeit und/oder Geld investiert“ (quelle: wikipedia)
Regisseur Eckhart Schmidt ist in der deutschen Medienlandschaft wohl eine ziemliche Ausnahmeerscheinung und obwohl die Filme des streitbaren Mannes seit Jahrzehnten durchwegs auf negative Kritik stoßen und auch von den Zuschauern zwiespältig bis kontrovers aufgenommen werden, sind seine zahlreichen Werke doch auch immer auf ihre Art sehr ungewöhnlich, auf entrückte Weise sperrig und kümmern sich selten um bestehende Genre-Konventionen, Schublanden oder etwaige Zuschauererwartungen. Auch meine Wenigkeit ist dabei durchaus gespalten und auch wenn Herr Schmidt zweifelsfrei sehr spannende Streifen gedreht hat, so finden sich in fast allen seinen Werken wie „Alpha City“, „Loft“, „Das Wunder“ oder der fast schon unpackbare „Wie treu ist Nick?“ auch immer Elemente und Wendungen, die selbst aufgeschlossenen Menschen ohne Scheuklappen die Hirnwindungen runzeln lassen und auch das Endergebnis trotz kurzweiliger Erzählweise zwiespältig erscheinen lassen.
Nicht viel anders gelagert ist die Sache auch bei seinem 1982 entstandenen „Der Fan“, dem imho wohl interessantesten und bekanntesten Werk im Schaffen Schmidts, dem ja der Ruf eines Skandalfilms vorauseilt und als einer der wenigen deutschen Genre-Produktionen auch im Ausland einen entsprechenden Bekanntheitsgrad verfügt. Dieses präsentiert sich dem Zuschauer als Drama über fehlgeleitetem Starkult und einem kontroversen, letzten Drittel, dass auch heute noch starke Reaktionen bei seinem Publikum hervorrufen und dieses scheinbar mühelos in zwei Lager spaltet. Leicht macht es Eckhart Schmid seinen Publikum ja nicht unbedingt und präsentiert ein Mädchen, die wie viele ihrer Altersgenossinnen für einen Musiker schwärmt. Doch während es bei dem überwiegenden Anteil der jungen Frauen bei der Schwärmerei und das Idol unerreichbar bleibt, ist Simone bereit, ihre Liebe zu dem Sänger „R“ auf ein nächstes Level zu hieven und geht am Ende nicht nur bildlich gesprochen soweit, sich den Star mit Haut und Haaren einzuverleiben.
Der Film startet dabei wie ein schnulziges Teenager-Drama und konzentriert sich voll und ganz um das bewegte Gefühlsleben der sechzehnjährigen Simone, die ihr bewegtes Gefühlsleben aus dem Off erklärt und den Sänger „R“ zu ihrem alleinigen Lebensinhalt erklärt hat. Sie schreibt glühende Liebesbriefe, schmiedet gemeinsame Zukunftspläne und hat selbst für nicht erfolgende Rückmeldung ihres Schwarms und dem ablehnenden Verhalten ihres Umfelds eine plausible Erklärung. Statt Schule und Freundeskreis ist sie lieber mit der Musik ihres Idols alleine und deutet seine Texte auf immer abstrusere Weise und strickt sich in ihrem fanatischen Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft ihre ganz eigene Realität und reagiert aggressiv, wenn dieses von außen bedroht wird.
Als Simone dann ihrem Schwarm gegenübersteht und dieser sogar Interesse an dem hübschen Teenager zeigt, scheint diese am Höhepunkt ihres noch jungen Lebens angekommen und opfert in dem metaphorischen Streifen ihre Jungfräulichkeit als größtes Zeichen ihrer Liebe. Doch „R“ dankt es der jungen Frau nicht, sondern „wirft“ sie nach der gemeinsamen Nacht weg, ohne weitere Gedanken an Simone zu verschwenden. Und als diese „R“ nicht gehen lassen möchte und im Affekt erschlägt, zerstückelt und sich einverleibt, verleiht dieses dem Sprichwort „jemand zum Fressen gern haben“ eine vollkommen neue Bedeutung und sieht in der vermuteten Schwangerschaft auch die Reinkarnation des Stars, den sie mit ihrem unvorstellbaren Akt für immer an sich gebunden und verstreut das Mahl aus seinen Knochen in alle Winde, sodass sie ihn niemals mehr mit irgendjemanden teilen muss.
Alles natürlich starker Tobak und in dem mitgelieferten und auch sehr interessanten Interview beschreibt Schmidt nicht nur die turbulenten Entwicklungen rund um den jahrzehntelang indizierten Streifen, sondern beschreibt diesen selbst als „kannibalische Love-Story“ und fasst den Inhalt seines kontroversen Streifens auch recht süffisant in wenigen Worten zusammen. Der Regisseur erklärt auch, warum er im Verlauf seines inhaltlich eher simpel gehaltenen Streifens über Popkultur im Allgemeinen auch immer wieder etwas seltsam anmutende Verweise mit Leni Riefenstahl-Romantik an den Nationalsozialismus eingebaut hat. So zeigt „Der Fan“ nicht nur jugendliche Fan-Liebe in ihrer übersteigerten Form, sondern wirft auch Fragen in den Raum, inwieweit in vermeintlich aufgeklärten Tagen wie diesen nicht nur Minderjährige anfällig für charismatische (Leit-)Figuren sind und diese kritiklose Hingabe an eine andere Person auch in der eigenen Wahrnehmung eine Rolle spielen.
Eckhart Schmidt wird auch nicht müde zu betonen, dass es sich bei Désirée Nosbusch auch um seine absolute Traumbesetzung für seinen Streifen handelt, auch wenn der Streifen in einem Zerwürfnis mit seiner jungen Darstellerin endete, die im Jahr 1982 trotz ihres jugendlichen Alters bereits selbst ein sehr bekannter Teenie-Star war. Nosbusch war angesichts des kontroversen Ergebnisses und zahlreichen Nacktszenen wohl um ihre weitere Karriere besorgt und versuchte den Film gerichtlich zu stoppen, was jedoch nicht gelang, da sich Schmidt entgegen den Vorwürfen der Schauspielerin und ihres Managements an die vereinbarten Drehbedingungen hielt. Dadurch entstand auch ein sogenannter und von den Medien gerne aufgegriffener „Skandal“ und auch wenn sich Schmidt und Eckhart laut eigenen Aussagen wieder versöhnt haben, waren die unschönen Schlagzeilen sicher nicht ganz unschuldig daran, dem Film zu einem zusätzlichen Bekanntheitsgrad zu verhelfen.
Der Streifen lebt auch zur Gänze von der Darstellung von Désirée Nosbusch, die im Off ihre Gefühle erläutert und sich ansonsten als rebellischer Teenager in einer schwierigen Zeit ansonsten sehr schweigsam gibt und ihren Körper, Mimik und Gestik für sich sprechen lässt. Die zahlreichen Nacktszenen der damals minderjährigen Darstellerin könnte man so heute wohl nicht mehr so bringen und stammen aus einer Zeit, als gesellschaftlich noch völlig anders mit jugendlicher Nacktheit umgegangen wurde. Offensichtlich hat sich in den Siebzigern und Achtzigern wie in zahlreichen anderen und unrühmlichen Bespielen auch niemand etwas Besonderes dabei gedacht, sehr junge Mädchen in Film und sonstigen Medien leichtbekleidet oder gleich vollkommen nackt in Szene zu setzen und ein fatales Lolita-Image herum zu kreieren.
Der Rest der Darsteller des Films kann mit Nosbusch dann nicht mithalten und vor allem Bodo Steiger, wirkt neben mangelnder schauspielerischer Erfahrung wohl auch aufgrund der Ikonen-haften Inszenierung seiner Figur und normalen Erscheinung abseits der Kameras eher hölzern, was aber andererseits auch den Kontrast zwischen idealisiertem Star-Sein und der Realität eindrucksvoll wiederspiegelt. An „R“ ist auch nichts übermenschlich oder besonders, sondern entpuppt sich als Mensch wie du und ich mit durchaus üblichen Charaktereigenschaften, die nur wenig mit Wunschdenken des Teenagers zu tun hat. Mit Bodo Steiger der Gruppe Rheingold wurde laut Schmidt auch bewusst eine Gruppe der „Neuen Deutschen Welle“ gewählt, die auch den Soundtrack zu dem Werk beigesteuert hat und zu den Gruppen dieser Strömung zählt, die sich laut Aussage des Regisseurs auch bewusst mit Themen des Faschismus in ihrem Schaffen auseinandergesetzt hat.
Neben VHS-Auswertungen gibt es von „Der Fan“ auch bereits mehrfach in DVD-Auflagen, wobei nun alle bisherigen Scheiben und Kassetten von der wunderbaren Blu-Ray-Disc übertroffen werden, die den Film auch in wirklich ausgezeichneter Bildqualität präsentiert. Neben zahlreichen Trailern in deutscher und englischer Sprache, Auszügen aus dem Originaldrehbuch gibt es als besonderes Extra ein neues Interview mit dem Regisseur, der über seinen Film und dessen Geschichte erzählt und noch dazu ein paar sehr interessante Details über „Der Fan“ berichten kann und wie der ausgefuchste Regisseur den Streifen trotz kontroversen Inhalts mit einem Trick durch die FSK-Prüfung bekommen hat. Abgerundet wird die empfehlenswerte Veröffentlichung dann noch mit einer Bildergalerie, der Geschichte in Bildern aus dem damalig veröffentlichten Fotobuch und weiteren Trailern aus dem Programm des Berliner Labels.
Unterm Strich bleibt einer der wenigen kontroversen Filme aus deutscher Genre-Produktion, die auch international wahrgenommen wurden und der auf unkonventionelle Weise eine Liebesgeschichte der etwas anderen Art erzählt. Was als Teenager-Schwärmerei für einen Star und einem Drama aus der „Coming-of-Age“-Ecke beginnt, endet in einem wahren Alptraum, der mich in seiner Machart auch an Takashi Miikes „Auditon“ erinnert, der ebenfalls harmlos anfängt und am Ende völlig in ungeahnte und intensive Gefilde kippt und den bereits in Sicherheit wiegenden Zuschauer auf dem falschen Fuß erwischt. Eckhart Schmidt geht dabei fast noch einen Schritt weiter als sein japanischer Regie-Kollege und die in „Der Fan“ präsentierte Mischung aus jugendlicher Unschuld und tödlichen Bestimmtheit in Kombination unterkühlter NDW-Optik und Nazi-Ästhetik führen auch heutzutage noch zu starken Reaktionen und die Mischung aus Exploitation und Drama kann man wohl auch nur lieben oder hassen.
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@ Jochen,
vielen dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9885
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