project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Obwohl der Kunstdozent José Maria (Francisco Alfonsin) für den Job eigentlich überqualifiziert ist, landet er aus persönlichen Gründen an einer Grundschule in Sevilla um dort den Schülern als neuer Lehrer Kunst näherzubringen. Von seiner Direktorin Mercedes (Mercedes Suárez Aller) mit entsprechend Vorschusslorbeeren bedacht und in seinem Selbstvertrauen gestärkt, muss José Maria jedoch rasch feststellen, dass die Grundschule ein schwieriges Pflaster ist und die Kleinen nicht so leicht für Kunstgeschichte zu begeistern sind. Dennoch meistert José Maria seinen Einstieg eigentlich recht gut und schafft es nach einem chaotischen Start das Interesse der Kinder zu erwecken.
Mit der Zeit erfährt José Maria auch mehr über den Schulbetrieb, der wie so oft zwischen Tradition und Moderne schwankt und während die junge und ambitionierte Kollegin Idoia (Eva Rubio) für alternative Lehrmethoden stark macht, steht die frustrierte und fast schon bösartige Angustias (Maica Sánchez Caballero) für konservativen Unterricht, der sich mit Strenge über Jahrzehnte nicht verändert hat und auch nicht mehr ganz zeitgemäß erscheint.. Als die Sprache auch immer wieder auf den José Marias Schüler José Joaquin kommt, der als hyperaktives Kind den Unterricht stört, beschließt der Lehrer sich verstärkt um den Jungen zu kümmern, seine Kreativität zu fördern und mit Zeichnen zu beruhigen.
Doch das ist nicht immer einfach und im Laufe des turbulenten Schuljahres ist auch bei anderen Schülern immer wieder das Feingefühl der Pädagogen gefragt um auf die unterschiedlichen Bedürfnissen und Begabungen der Kinder entsprechend einzugehen. José Maria schafft es aber immer wieder, mit der seiner Gabe den Kindern zuzuhören, jegliche Herausforderungen zu meistern und auch als er von Mercedes den Auftrag erhält, für ein Schulfest mit seinen Schülern ein Theaterstück über nordische Mythologie einzustudieren, macht sich der Pädagoge mit unkonventioneller Aufgabenverteilung und viel Enthusiasmus ans Werk, auch dieses Vorhaben umzusetzen...
Mit dem Streifen „Primaria“ aus dem Jahre 2010 präsentiert der Regisseur, Drehbuchautor und Musiker Iván Noel seinen dritten Spielfilm, der sich im Gegensatz zu seinen beiden vorangegangenen „Coming-of-Age“-Streifen weniger dramatisch und mit der Figur des José Maria einen Universitäts-Dozenten präsentiert, der aus nicht näher genannten Gründen eine Stelle in eine Grundschule in Sevilla antritt und sich dabei auf einmal mit gänzlich neuen Herausforderungen konfrontiert sieht. „Primaria“ zeigt dabei mit Laienschauspielern inszeniert, den turbulenten Schulalltag in einer Grundschule und portraitiert die alltäglichen Probleme der Lehrer und Schüler gleichermaßen.
Bei der Realisierung von „Primaria“ kam Noel natürlich zugute, dass er selbst lange Zeit als Lehrer mit gleichem Fachgebiet gearbeitet hat und die Figur des José Maria und die Erlebnisse dürften dabei wohl durchaus autobiografischer Natur sein. Dabei sind die episodenhaften Ereignisse mit hyperaktiven Kinder, überbesorgten Schulpsychologen, sowie ambitionierten und konservativen Lehrer recht breit gespannt und so vielschichtig wie das Leben selbst erzählt. „Primaria“ bietet dabei auch sehr viele unterschiedliche Figuren und die unterschiedlichsten großen und kleinen Probleme, Erfolgserlebnisse und Rückschläge die im Laufe eines Schuljahres so passieren können.
Offensichtlich ging es dem Filmemacher auch nicht darum, ein veraltetes Schulsystem oder Lehrmethoden und Ausbildungspläne eines bestimmten Landes an den Pranger zu stellen, sondern Noel präsentiert dem Zuschauer eine teils subtile, ausgenzwinkernde bis dramatische Bestandsaufnahme eines doch schon etwas antiquierten Schulsystems, das aus den Augen der Erwachsenen und Kinder gleichermaßen und ohne eigentliche Hauptfigur erzählt wird. Dabei wirken manche Dinge, wie z.B. die Geschehnisse aus Sicht der Kinder durchaus etwas übertrieben und manche Figuren und Handlungen sind auch etwas überzeichnet, aber insgesamt ergibt sich schon ein recht ausgewogenes Bild, bei dem der Pädagoge José Maria mit seiner besonnenen Art als Fels in der Brandung der Ruhepol des ganzen Films ist und während der Laufzeit von knapp 106 Minuten der jugendlichen Kreativität und Entdeckungsgeist gehuldigt wird.
Im Vergleich zu seinem restlichen drei, bislang im deutschen Sprachraum im Vorfeld veröffentlichten Filmen wirkt „Primaria“ auch eher leichtfüßig und ist weder so dramatisch wie „Brecha“ und „Wo warst du?“, noch so düster wie das Psychogramm „Vuelve“. Dennoch könnte man der spanischen Produktion etwas ankreiden, das diese für eine Komödie zu wenig lustig, für ein Drama zu wenig dramatisch und für eine universelle Geschichte über Heranwachsende in der Grundschule etwas zu regional und fast schon zu episodenhaft und nicht gänzlich gelungen ausgefallen ist.
Bei der Produktion des Low-Budget-Streifens galt das besondere Augenmerk neben der stimmungsvollen Musik auf Authentizität und Noel drehte in zehn Tagen der großen Ferien lange und improvisierte Szenen mit mehreren Kameras, die dann nachträglich zusammengeschnitten wurden. Und diese Machart merkt man dem Streifen dann auch etwas an, wenn trotz der knapp 106 Minuten manche Szenen präsentiert werden, die scheinbar unmotiviert daherkommen, für den Handlungsverlauf keine weitere Funktion haben, oder aus dem Nichts zu kommen scheinen und es wohl nur deshalb in den Film geschafft haben, weil der Regisseur sie in irgendeiner Form gelungen fand.
Neben Francisco Alfonsin, der ja schon in den vorangegangenen Filmen als Darsteller dabei war und hier auch wieder am Drehbuch mitgewirkt hat, sind die eigentlichen Stars ja die zahlreichen Kinderdarsteller, die für Noel vor die Kamera treten und dafür sorgen, dass „Primaria“ zu einer turbulenten Angelegenheit wird. Diesen „Sack Flöhe“ voller Kinder vor der Kamera und unter Kontrolle agieren zu lassen, war wohl keine leichte Angelegenheit und dennoch lässt gerade die ungekünstelte und lebhafte Art der Kinder den Streifen aus der Masse vergleichbarer „Coming-of-Age“-Filmen herausstechen. Auch die restlichen Darsteller sind wie üblich ganz passabel besetzt, die Locations stimmig und auch die Filmmusik passend gewählt.
Wie schon bei den anderen Werken von Ivan Noel ist es wieder einmal dem Berliner Label „CMV Laservision“ zu verdanken, dass dieser kleine Streifen aus dem Jahre 2010 auf einer Scheibe ohne Regionalcode unter die Leute gebracht wird. „Primaria“ kommt dabei wie auch das bisherige Output in der spanischen Originalfassung mit optionalen Untertiteln in deutscher und englischer Sprache und die Bildqualität geht für einen aktuellen Low-Budget-Streifen absolut in Ordnung. Als Bonus gibt es neben dem obligatorischen Wendecover ein „Making-Of“ mit englischen Untertiteln und eine umfangreiche Bildergalerie, sowie die drei Trailer zu Noels bislang veröffentlichten und ebenfalls empfehlenswerten Streifen „Brecha“, „Wo warst du?“ und „Vuelve“.
Unterm Strich bleibt ein sympathischer Streifen über Lehrer und Schüler einer Grundschule in Sevilla, der authentisch und semi-dokumentarisch über die tagtäglichen Probleme berichtet, mit denen sich Lehrer wie Schüler im Laufe eines Jahres auseinandersetzen müssen. Der Grundton des Streifens ist dabei eher humorvoll gehalten und zeigt turbulente Ereignisse mit lebhaften Kindern und Lehrern, die wohl die ganze Bandbreite widerspiegeln, mit denen man als Kind selbst irgendwie konfrontiert war. Dabei punktet „Primaria“ mit viel Lokalkolorit, aber ist gleichzeitig auch ein kurzweiliger Spaß für aufgeschlossene Zuschauer, der auch sehr hübsch die unbändige und unbeschwerte Lebensfreude dieser viel zu schnell vorbeiziehenden Zeit der Kindheit einfängt und in humorvoller Weise präsentiert.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9757
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