project: equinoX Forum

Die Menschheit ist ja generell anfällig für Verschwörungstheorien aller Art und seit in den frühen Neunzigern durch Serien wie "Akte X" phantasievolle Deutungen - und seien sie noch so abstrus – als popkulturell gesellschaftsfähig erklärt wurden, gibt es ja ohnehin kaum noch einschneidende Ereignisse oder Begebenheiten von der Mondlandung, über das JFK-Attentat, bis hin zu den Terroranschlägen von 9/11, bei denen nicht früher oder später groß angelegte Verschwörungen vermutet werden. Dank der globalen Vernetzung durch das Internet hat sich dieses sogar noch verstärkt und da Verschwörungsfanatiker nun auch jegliche Information finden, nach der gesucht wird und sich auch untereinander vernetzten, ist hier auch der ideale Nährboden für Freaks und Nerds entstanden, die gern schicksalhafte Ereignissen neue Deutungen verpassen.

Die Dokumentation „Zeitgeist – Der Film“ ist dann auch Wasser auf den Mühlen dieser Leute und Regisseur und Verschwörungstheoretiker Peter Joseph, der seinen vollen bürgerlichen Namen aus mir unbekannten Gründen auch geheim hält, präsentiert dem Zuschauer in knapp zwei Stunden allerlei Thesen und Fakten, die in drei unterschiedlichen Teilen bestimmte Dinge näher beleuchten, die unser Leben maßgeblich prägen oder geprägt haben. Unter dem Deckmantel einer wissenschaftlichen und auf den amerikanischen Markt zugeschnittenen Dokumentation wird der Zuschauer dabei mit einer Fülle an bekannten bis abstrusen Information förmlich erschlagen, die es zwar mit den Fakten nicht immer ganz so genau nehmen, aber den Zuschauer vor allem Eines vermitteln sollen: dass die Gesellschaft, so wie wir sie kennen auf Lügen basiert, Großbanken schon längst die Welt diktieren und „9/11“ ein „Inside Job“ des CIA waren.

Im ersten Teil „Die größte Geschichte der Welt“ wird der Zuschauer mit der vollkommen bahnbrechenden Information konfrontiert, dass die Jesusgeschichte und die Bibel eigentlich im Widerspruch zur eigentlichen Evolutionstheorie steht und für die Geschichte Elemente von anderen Weltreligionen und astrologischen Phänomenen herangezogen und zusammengefasst wurden. Dass es sich hierbei ohnehin um ein Regelwerk handelt um eine große Masse zu kontrollieren, die vielleicht heutzutage nicht mehr ganz zeitgemäß ist, ist eigentlich auch weitläufig bekannt, sodass der Einfluss der römisch-katholischen Kirche mittleriweile auch nicht mehr ganz so groß wie noch vor hundert Jahren. Für Atheisten und Agnostiker ist dieses Kapitel dann auch nicht wirklich interessant und wird mit seinem spöttischen Unterton auch die angepeilte Zielgruppe religiöser Fanatiker und Hardliner ohnehin niemals erreichen.

Wesentlich ärgerlicher wird es dann im zweiten Teil der Dokumentation, wo der Zuschauer erfährt, dass die Terroranschläge vom 11. September 2001 von der US-Regierung geplant wurden, oder wenn nicht – diese zumindest wissentlich in Kauf genommen wurden um so einen Krieg zu rechtfertigen, der für die Stabilisierung der Wirtschaft mehr oder minder notwendig war und von denen vor allem Günstlinge der Bush-Äro profitiert haben sollen. Diese These wird dann mit allerlei Wortmeldungen gestützt, die entgegen dem Grundsatz journalistischer Ausgewogenheit auch sehr einseitig präsentiert werden und bei denen auch gar nicht versucht wird, diese in irgendeiner Form zu hinterfragen oder zu widerlegen. Und wenn dann auch noch Bilder von in den Tod springenden Menschen gezeigt und  Explosionen mit Slapstick-hafter Ziehharmonika-Musik unterlegt werden, ist ein Punkt erreicht, bei dem man sich wohl als Filmemacher auf unsäglichem „Gesichter des Todes“-Niveau befindet und sich auch nicht mehr weiter von seriösem Journalismus entfernen kann.

Im dritten Teil wird dann das hierzulande wohl eher unbekannte, amerikanische Finanzsystem näher beleuchtet und zur Erkenntnis gekommen, dass in Wirklichkeit nicht die Politiker das Sagen haben, sondern Großbanken, die mit scheinbar mutwilligen Verhalten auch ohne Skrupel die Welt in wirtschaftliche Krisen stürzt um daran zu verdienen und die Menschheit mit Stumpfsinn in den Medien ruhig gehalten wird und andererseits auch am Bildungssystem gespart wird, dass in Folge dessen die verdummten Menschen gar nicht erst auf die Idee kommen, bestimmte Dinge zu hinterfragen und als „gottgegeben“ hinnimmt, womit auch fast schon harmonisch wieder eine Brücke zum ersten Kapitel geschlagen wird.

Jetzt mag Peter Joseph mit den Thesen seiner drei Kapitel im Grunde jeweils die Wahrheit oder zumindest einen wahren Kern ansprechen, jedoch ist die seltsame Umsetzung von „Zeitgeist – Der Film“ ebenfalls kritisch zu hinterfragen und mit populistischen Holzhammer-Methoden und einseitigen Darstellungen, die es mit der Wahrheit auch nicht immer  ganz so genau nimmt, wird entgegen der eigentlichen Intention kein gesteigertes Bewusstsein geschärft werden. Ganz im Gegenteil: mit seiner reißerischen Berichterstattung spricht Joseph mit billigen Rattenfänger-Methoden auch eher ein einschlägig manipuliertes Publikum an, das sich zu vorgekauten Gedankengängen verleiten lässt und denen altbekannte und bittere Wahrheiten der Welt noch als bahnbrechend und investigativ verkauft werden.

Die Dokumentation „Zeitgeist“ versteht sich selbst als Aufforderung an den Zuschauer, die Geschehnisse und Entwicklungen auf der Welt zu durchdenken und mit anderen Augen zu sehen, als es in den Medien propagiert wird. Regisseur Peter Joseph macht sein Anliegen in drei Teilen deutlich: Zunächst betrachtet er kritisch die Entstehung des Alten und Neuen Testaments, anschließend werden Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11.9.2001 aufgerollt und den USA eine Verwicklung darin zugesprochen. Zuletzt wird die heutige Weltordnung in Frage gestellt, die schon bald einer Art Weltregierung von mächtigen Bankiers weichen könnte… (quelle: DVD-Cover)

Die obige Inhaltsangabe auf dem Rücken des DVD-Covers relativiert ja dann nicht nur die gesamte Dokumentation, sondern auch das Cover ist im Vergleich zum schwarzmalerischen  Original-Artwork entschärft ausgefallen um sich nicht vollends lächerlich zu machen. Die Einmischung von Religion in die Gesellschaft ist zwar sicherlich genauso kritisch zu hinterfragen, wie der Einfluss und die Rolle von Lobbyisten und Großbanken - doch das sind komplexe Dinge, denen man sicherlich nicht mit einer derart reißerischen und viel zu breit aufgestellten Doku begegnet werden sollte, die quasi im Schnelldurchlauf und in einem Aufwischen  versucht für alles und jedes eine Theorie aufzustellen, die abgesehen vom Gebrauch des eigenen Verstands jedoch keinerlei andere Lösungsansätze bietet.

Es scheint jedenfalls nicht weiter verwunderlich, dass „Zeitgeist – Der Film“ gerade im Internet Furore macht und laut Wikipedia wohl einer der meistgesehen Filme im Internet sein soll. Zwischen Katzen-, ASMR- und Fleischfilmvideos ist diese reißerische Pseudo-Dokumentation dann auch besser aufgehoben und es ist auch wenig verwunderlich, dass eine ausgewogene und vernünftige Auseinandersetzung - wie im Internet so häufig - nicht wirklich stattfindet. Abgesehen vom Vorsatz den Konsumenten zu einem bewussteren Umgang mit bestimmten Dingen aufzurufen und bestehende Systeme bewusst zu hinterfragen ist dem Streifen auch wenig Positives abzugewinnen und als seriöse Dokumentation ist „Zeitgeist“ mit seiner tendenziösen Darstellung zum überwiegenden Teil schlichtweg unbrauchbar.

Da der Streifen für das Internet geschaffen wurde und sich unterschiedlichster Audio- und Video-Quellen bedient und ein vermeintlicher Informationscharakter im Vordergrund steht, sollte man sich in Punkto Bildqualität nicht viel erwarten.  Die Originalfassung wurde mit einem deutschen Voice-Over-Kommentar ausgestattet und bietet untertitelte Stellen. Neben der Originalversion enthält die DVD aus dem Hause CMV-Laservision auch noch den „Revised-Cut“, bei dem anscheinend auch ein paar Ungenauigkeiten im ersten Teil ausgebessert und neu zusammengeschnitten und mit optionalen Untertiteln unterlegt wurden. Abgerundet wird die wenigstens zum Nice-Price unter die Leute gebrachte Scheibe dann noch mit Programmtrailern und einem Wendecover.

Unterm Strich bleibt eine auf Krawall gebürstete Dokumentation mit den Bereichen Religion, Terrorismus und Hochfinanz, die zwar im Grunde keinen bahnbrechend neue Dinge verrät, aber dabei recht plakativ und reißerisch zu Werke geht. Eine konstruktive Auseinandersetzung mit den präsentierten Themen scheint Regisseur Peter Joseph irgendwie  auch kein großes Bedürfnis gewesen zu sein und so präsentiert er in seinem recht einseitig ausgefallenen und auf den amerikanischen Raum zugeschnittenen Werk altbekannte Fakten in Kombination mit kruden Verschwörungstheorien und spöttischen Kommentare und bedient sich auch ansonsten recht durchschaubarer und sehr populistischer Mitteln. „Zeitgeist – Der Film“ ist dann auch ein auf die „Youtube-Generation“ zugeschnittenes und auf Dauerfeuer geschaltetes  Werk  mit viel tendenziösem Inhalt und Halbwahrheiten, idealerweise für Leutchen mit viel Meinung und wenig Ahnung, die sich gerne lauthals von der Couch aus über die diversen Ungerechtigkeiten der Welt aufregen.