project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der etwa dreißigjährige Kang-do (Lee Jung-jin) ist Schuldeneintreiber für einen privaten Geldgeber in dem heruntergekommenen Industrie- und Armenviertel in Seoul. Wenn die Schuldner die horrenden Zinsen des als „Glückskredit“ und Ausweg aus der Armut angepriesenen Darlehens nicht mehr zurückzahlen können, tritt der mitleidslose Mann auf den Plan und macht diese auch brachiale Weise zum Krüppel um auf diese Weise das Geld der gleichzeitig abgeschlossenen Invaliditätsversicherung zu kassieren. Dabei schreckt er Kang-do vor keiner Brutalität zurück, verhöhnt seine Opfer und lässt sich auch durch die Anwesenheit von Familienmitgliedern abschrecken.
Eines Tages bemerkt der Einzelgänger Kang-do jedoch eine ältere Frau, die ihm bereits seit geraumer Zeit folgt und wenig später auch wortlos seine Wohnung betritt und mit gesenktem Haupt beginnt diese aufzuräumen. Dabei outet sie sich die attraktive Mittvierzigerin als Min-sun (Cho Min-soo) bzw. dessen leibliche Mutter und bittet Kang-do in eindringlichen Worten und unter Tränen ihr zu verzeihen, dass sie diesen als Kind zurückgelassen hat. Dieser ist zunehmend von der Anwesenheit der Frau genervt und weist diese mehrmals auf sehr schroffe Weise ab. Min-sun gibt jedoch nicht auf und hilft ihm bei einem seiner Aufträge sogar den säumigen Schuldner zu verkrüppeln und stellt ihm Lebensmittel vor die Türe.
Kang-do bleibt der Geschichte jedoch misstrauisch gegenüber und stellt seine vermeintliche Mutter hart auf die Probe und fällt auch brutal über sich her, um sich an ihr zu vergehen. Diese erduldet unter Tränen jedoch alle Schmach und der isoliert-lebenden Schuldeneintreiber beginnt den Worten von Min-sun auch langsam zu glauben und Vertrauen zu ihr aufzubauen. Min-sun zieht in die kleine Wohnung ein und kümmert sich fortan um den Haushalt, während Kang-do weiter seiner Tätigkeit nachgeht. Durch das gütige Verhalten seiner Mutter beginnt der Mann jedoch seine bisherigen Taten in Frage zu stellen und verschont zum Missfallen seines Arbeitgebers einen Schuldner, als sich dieser bereitwillig für sein Kind verstümmeln möchte.
Als die Beiden eines Tages bei einer Einkaufstour von einem verkrüppelten Bettler bedroht werden, der durch die Taten von Kang-do in der Gosse gelandet ist, macht sich der Mann zunehmend Sorgen um die Sicherheit seiner Mutter. Die Bedenken scheinen auch gerechtfertigt und kurze Zeit später ist Min-sun spurlos aus der gemeinsamen und zerstörten Wohnung verschwunden. Kang-do macht sich auf die Suche nach seiner Mutter und bei den Besuchen bei ehemaligen „Kundschaften“ wird dem jungen Mann auch immer mehr die Tragweite seiner Taten bewusst werden, macht er wenig später eine unerwartete Entdeckung…
„Pieta“ ist der achtzehnte Film des südkoreanischen Regisseurs Kim Ki-duk und nach „Amen“ der zweite Streifen nach seiner mehrjährigen Lebens- und Schaffenskrise, die er in dem Dokumentar-Experimentalfilm „Arirang – Bekenntnisse eines Filmemachers“ kreativ verarbeitete. Wie schon in den Werken davor bleibt der kontroverse Regisseur aber seinen bisherigen Lieblingsthemen treu und liefert ein Werk über Schuld, Sühne und Vergebung ab, dass aufgrund seines Titels und dem gleichnamigen Bild aus dem 14. Jahrhundert, dass Maria als „Schmerzensmutter“ darstellt, wie auch sein Vorgänger in die Nähe christlichen Glaubens und Symbolik gerückt wird.
Allzu christlich ist das brutale Werk allerdings nicht ausgefallen und bietet eine recht herbe Geschichte über einen zynischen und menschenverachtenden Schläger und Einzelgängers, dessen emotionaler Panzer durch die Nähe seiner Mutter langsam und mit allen Konsequenzen zu bröckeln beginnt. Kim Ki-duk präsentiert seine schweigsamen Protagonisten dabei im Umfeld eines heruntergekommenen und Perspektiven-losen Industrieviertels und präsentiert die Verlierer der Millionenmetropole, die in Zeiten von Gewinnmaximierung unter die Räder kommen. Dabei ist der Streifen an erster Stelle ein düsteres Gesellschaftsportrait und Außenseiter-Drama, das sich im Verlauf auch etwas in Richtung doppelbödigen Thriller wandelt.
Für einen vergleichsweise niedrig budgetierten Film hat „Pieta“ aber einen ausgesprochen interessanten Look und obwohl die Story zu einem gewissen Grad vorhersehbar ist, gelingt Kim Ki-duk die aufgebaute und düstere Grundstimmung des Filmes über die gesamte Laufzeit aufrecht zu erhalten. Die Gewalt findet trotz zentralem Thema eher im Off statt, was den düsteren Streifen aber nur bedingt erträglicher macht. Etwas irritierend fand ich hingegen die etwas nervöse Kamera, die in manchen Szenen für meine Verhältnisse etwas zu sprunghaft ausgefallen ist. Doch das ist lediglich meckern auf höchstem Niveau, da Kim Ki-duk hier sicherlich einen der beeindruckendsten Filme seiner Karriere abgeliefert hat, der zu Recht international abgefeiert wurde und laut Wikipedia auch in seinem Heimatland sehr erfolgreich in den Kinos gelaufen ist.
Statt großer Dialoge steht wie üblich auch eher das Unausgesprochene an erster Stelle und mit Lee Jung-jin hat Kim Ki-duk auch einen Darsteller verpflichtet, der zwar nicht unbedingt das Kriterium des grobschlächtigen Schlägers erfüllt, aber ansonsten mit finsterer Miene recht gut in seine Rolle passt und seine charakterliche Wandlung bis zum bitteren Ende auch recht glaubwürdig präsentiert. Cho Min-soo hat mir als Mutterfigur ebenfalls ganz gut gefallen und ihr bewusst sehr theatralisch angelegter Charakter als Min-Sun bleibt bis zum Ende unvorhersehbar. Der Rest des Casts ist wie die spärliche Musikbegleitung recht passend gewählt und sorgt insgesamt für einen runden Eindruck.
Die DVD aus dem Hause Ascot Elite bzw. MFA+ bringt den offensichtlich wie schon „Arirang“ mit Digitalkamera gedrehten Streifen in dafür recht guter Qualität, wobei es sich am Ende durchaus empfiehlt, die Helligkeit des Fernsehers etwas aufzudrehen, da ansonsten ein wichtiges Detail eventuell verloren gehen könnte. Die deutsche Synchro ist für asiatische Verhältnisse jedenfalls sehr gelungen und wer sich „Pieta“ lieber im koreanischen Original anschauen möchte, dem stehen auch optionale, deutsche Untertitel zur Verfügung. Neben der herkömmlichen DVD und Blu-Ray-Veröffentlichung wird es auch noch eine „Special-Editon“ des Streifens geben, der neben dem Hauptfilm auf Blu-Ray auch noch das interessante und bereits besprochene Doku-Drama „Arirang“ auf Bonus-DVD bieten wird.
Unterm Strich bleibt ein schwer erträgliches und zutiefst pessimistisches Drama, dass in Anlehnung an christliche Motive für seinen schuldbeladenen Protagonisten schlussendlich nur den Weg des qualvollen Todes als Erlösung bereit hält. Ein Film, der mit seiner krassen Thematik und nüchternen Inszenierung sicherlich nicht einfach zu konsumieren ist und sich auch eher an die hartgesottenere Arthouse-Fraktion und sonstige Filmfans richtet, die auch dazu bereit ist, das Leiden von Kang-do und das Leiden seiner Mutter bis zum bitteren Ende zu begleiten, auch wenn dieser cineastische Kreuzweg für alle Beteiligten kein einfacher ist...
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9275
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