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Der südkoreanische Regisseur Kim Ki-duk ist seit dem Jahre 1996 und seinem ersten Spielfilm ein gern gesehener Gast und potentieller Gewinner auf internationalen Filmfestivals und trotz unbequemen Themen und teils recht drastischen Bildern in seinen Filmen von Publikum geliebt und von der Kritik auf Händen getragen. Mit durchaus kontroversen Werken wie „Seom – die Insel“ und „Samaria“ und „Frühling, Sommer, Herbst, Winter… und Frühling“ erhielt der getriebene Filmemacher und Drehbuchschreiben neben zahlreichen internationalen Filmpreisen auch nationale Auszeichnungen und obwohl seine Karriere als Außenstehender durchaus als beeindruckend zu bezeichnen ist, kam im Jahre 2008 doch alles etwas anders…
Ein nicht näher bezeichneter Unfall am Set des Streifens „Dream“ bei dem sich eine Schauspielerin ohne schlimmere Konsequenzen verletzte, stürzte Kim Ki-duk nach dem ersten Schreckmoment in die künstlerische Schaffenskrise samt Schreibblockade und der über die Jahre innerlich und künstlerisch ausgebrannte Mann verfiel in eine tiefe Depression. Ki-duk zog sich daraufhin nach eigenen Angaben mit zwei Digitalkameras und mehrere Jahre in ein abgelegenes Haus zurück, wo er zurückgezogen und nahezu ohne Annehmlichkeiten des täglichen Lebens seine persönliche Katharsis auf Band festhielt und mit dem Dokumentar-Experimentalfilm „Arirang – Bekenntnisse eines Filmemachers“ seinem Burn-Out ein filmisches Denkmal setzte.
Erfolgreiche Regisseure in der kreativen Krise ist ja eigentlich kein neues Thema und mit Lars von Trier und dessen 2010 entstandenen „Melancholia“ gibt es bereits ein eindrucksvolles Beispiel, wie ein Filmemacher seine Depression cineastisch verarbeiten kann. Statt elegischer Zeitlupen-Bilder, klassischer Musik und einer vielseitig interpretierbaren Geschichte über das Ende der Welt wählt der ebenfalls eher als „Mann fürs Grobe“ bekannte Kim Ki-duk jedoch einen gänzlich anderen Weg und bietet in seine Werk karg gehaltene Bilder eines vom Leben gezeichneten, enttäuschten und isoliert lebenden Mannes, der sich seinem Frust in Zwiegesprächen mit sich selbst von der Seele redet und so der Ursache seiner Depression auf den Grund zu gehen.
Es ist schon etwas seltsam zu sehen, wie sich der renommierte Filmemacher selbst kasteit und in einem Zelt in einem heruntergekommenen Haus ohne Toilette und Bad campiert, in dem im Winter vor Kälte das Wasser gefriert und Ki-duk auch größtenteils auf die Annehmlichkeiten der modernen Welt freiwillig verzichtet. Der Filmemacher teilt im Verlauf des Streifens ordentlich in alle Richtungen aus und neben bequemen Schauspielern, opportunistischen Regie-Assistenten und sonstigen Enttäuschungen des Lebens wird auch der enorme Druck ersichtlich, den sich der streitbare Mann mehr oder minder selbst auferlegt hat oder sich über lange Zeit ausgesetzt fühlte.
Mit dem Weg der freiwilligen Isolation hat Ki-duk auch sicher nicht den einfachsten oder professionellsten Weg aus seiner existenziellen Krise gewählt, aber mit den zahlreichen Momente, in denen er mit schockierender Ehrlichkeit seinen subjektiven Gefühlen und Ansichten freien Lauf lässt und eine Seite von sich präsentiert, die er wohl bislang eher verborgen hatte, kanalisiert er seine Ängste, vermeintliche Schwächen und seinen Ärger in die richtige Richtung und scheut dabei auch nicht zurück, sich bei absoluten Tiefpunkten und „Null“-Momenten zu filmen.
„Arirang - Bekenntnisse eines Filmemachers“ beginnt auch recht harmlos und nüchtern mit dem Filmen von ganz alltäglichen Dingen wie Kaffee kochen und Holz hacken, bei denen sich der von Alkohol und Tabletten sichtlich aufgeschwemmte und kauzig wirkende Mann selbst filmt. Immer wieder wird er in der Nacht von Klopfgeräuschen geweckt, was wohl die Geister seiner Vergangenheit darstellen sollen. Später montiert er einen Monolog zu einem Zwiegespräch und zeigt sich lachend beim Betrachten des eigenen Tiefpunktes. Später verlässt der interessante Streifen die dokumentarischen Gefilde und präsentiert einen unorthodoxen und metaphorischen Weg aus der Krise, der ebenso zu einem Menschen passt, in dessen Werken stets pessimistische Stimmungen und Gewalt im Vordergrund stehen.
Dennoch kann sich der Streifen nicht gänzlich von dem Vorwurf einer gewissen Selbstverliebtheit befreien und die zahlreichen, selbstbestätigenden und trotzigen Momente, die sich im Verlauf von „Arirang“ zuhauf finden, wirken bisweilen etwas befremdlich. Doch diese Szenen, in denen Ki-duk sein eindrucksvolles Schaffen präsentiert, verzeiht man in dem Kontext ja gerne und sich frei von Eitelkeiten in der Krise zu filmen. Rückblickend ist für dem Südkoreaner ja auch alles gut verlaufen und der Regisseur hat mit seinen nachfolgenden Werken wie „Amen“ und „Pieta“ auch wieder zur alten Form zurückgefunden und für Letzteren als erster koreanischer Beitrag auch den „Goldenen Löwen“ bei den 69. Filmfestspielen in Venedig bekommen.
Und so bleibt trotz ungewöhnlicher Heran- und Entstehungsweise ein doch im Grunde seines Herzens optimistisches Werk, dass mit seiner schonungslosen Ehrlichkeit sicherlich Personen in vergleichbarer Lage Mut machen kann, sich ebenfalls auf die eigene Person zu besinnen und professionelle Hilfe zus suchen. Das Ende des Kim Ki-duk persönlicher Tour-de-Force ist da aber sicherlich nicht ganz ernstgemeint und für Kim Ki-duk aber legitmes Mittel seines künstlerischen Ausdrucks, dass mit seinen bislang in seinen Filmen behandelten Themen wie Gewalt auch sicherlich zu seiner persönlichen Krise und Depression beigetragen haben.
„Arirang – Bekenntnisse eines Filmemachers“ wurde Anfang Jänner 2012 von Rapid-Eye-Movies in ausgewählte, deutsche Kino gebracht und erhielt bei den Filmfestspielen von Cannes den Preis im nicht minder renommierten Nebenbewerb „Un Certain Regard“, in dem regelmäßig ungewöhnliche Filme mit neuen Perspektiven abseits der goldenen Palme gewürdigt werden. Auf DVD wird der Streifen Ende April 2013 jedoch nun von „MFA+“ veröffentlicht, die den Streifen im Rahmen ihrer Veröffentlichung zu Ki-duks „Pieta“ als Bonus der „Special-Edition“ beilegen werden.
Die Bildqualität ist der Entstehungsweise entsprechend angepasst und bietet grobkörnige und ungeschönte Bilder in Digitalkamera-Optik, die jedoch für den aufgeschlossenen Filmfreund sicherlich keinen Anlass zur Kritik bieten. Wider Erwarten ist „Arirang“ abseits etwas gewöhnungsbedürftiger Gesangs-Einlagen des titelgebenden Volksliedes von Herrn Ki-duk eigentlich überraschend zugänglich montiert und trotz ruhiger Momente und 100 Minuten Laufzeit gibt es auch keine Längen. Auch bei den Untertitel gibt es nichts zu meckern, auch wenn man sich zu ein oder anderer Szene vielleicht ein bisschen mehr Information in Form eines Audiokommentares gewünscht hätte.
Im Grunde bleibt Regisseur Kim Ki-duk in seiner Mischung aus Dokumentation und Experimentalfilm-Drama neuerlich seinen Lieblingsthemen wie Liebe, Hass und Ausnahmesituationen treu und bietet einen ungeschönten Einblick in eine getriebene Seele, die unter dem selbstauferlegten Druck und ihren Befindlichkeiten auch fast zugrunde gegangen wäre. Anstatt jedoch daran endgültig zu zerbrechen, wählte Ki-duk freiwillig den Weg in die vollkommene Isolation und Selbstkasteiung und lässt den Zuschauer mit Hilfe zweier Digitalkameras in eindrucksvoll an der schwierigsten Phase seines Lebens teilhaben und hat so zweifelsfrei einen sehr mutigen Film geschaffen.
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Hallo Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9274
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